Gesundheits­versorgung

Multimorbidität am Scheideweg: Investition in Menschen?

Status quo


Der Praxisblick: Bedarf für medizinische „De-Eskalation“ wächst rapide.


Wir schätzen sie auf gut ein Drittel der Patienten mit chronischen Gesundheitsproblemen: Diese Versicherten wollen nicht von vorn herein mit Dauermedikamenten oder Operationen abgespeist werden. Sie suchen händeringend nach verlässlichen Informationen und Lösungen, um ihre Gesundung selbst zu unterstützen und aktiv mitzutun. Sie möchten Zusammenhänge verstehen und in ihre Behandlung umfassend eingebunden werden. Diese Patienten werden viel zu oft mit Appellen, Allgemeinplätzen, Ratschlägen, Belehrungen, Verboten, Maximalforderungen entmutigt und belastet, über Verhaltens-, Lebensstil- und Basistherapieeffekte zum Großteil fehlinformiert, im Meinungsdschungel der Experten verunsichert, mit Ideologien bis hin zu Falschinformationen und unsinnigen Forderungen demotiviert und als mündige „Gesundheitsproduzenten“ allein gelassen.

Die Situation spricht für sich: Krankheit wird verwaltet, Gesundheit kaum gestaltet.

Das Gegenteil von gut ist gutgemeint.

Die durchaus wohlmeinenden medizinischen Informations- und Aufklärungsstrategien bei Zivilisationskrankheiten wirken eher kontraproduktiv. Das Gegenteil von gut ist gutgemeint. Ratschläge wie „mehr Sport treiben“ (kein Tier treibt Sport!) oder „nehmen Sie ab“, plakative Aussagen wie „sich keinen Stress machen“ ersetzen nicht die Vermittlung von fundiertem Wissen um biopsychosoziale Zusammenhänge oder eine differenzierte „Bedienungsanleitung“ für den Organismus. Im Gegenteil: Sie konterkarieren alle guten Absichten bei den Betroffenen, zerstören sogar Motivation. Sie verleiten zu Abhängigkeit von Krankheit und Fremdexpertise. Und sie differenzieren nicht nach dem konkreten Bedarf: Herz und Kopf des Patienten so anzusprechen, dass er – wenn und wie er es selbst bestimmt und wünscht – tatsächlich zur Basistherapie seiner chronischen Gesundheitsprobleme befähigt wird.

Definition Vitalität

Der Begriff VITALITÄT ist Schlüsselbegriff und zugleich Impulsgeber für eine neue strategische Ausrichtung im Gesundheits- und Arbeitsmarkt unter den Bedingungen sich verändernder Krankheitsspektren (non-CDs bzw. Alterns-, Lifestyle- und Volkskrankheiten). Heute und in Zukunft müssen Ressourcenstrategien Priorität erhalten.

VITALITÄT ist messbar und als operationalisierbare Funktionsgröße Referenzgrundlage für ein strikt ressourcenbezogenes und interdisziplinäres bez. generisches Normwert-, Ordnungs- und Klassifikationssystem in Medizin und Gesundheitswissenschaften.

VITALITÄT integriert als „Dachmarke“ mehrere bedeutsame Ebenen und Handlungslinien im Rahmen des notwendigen Paradigmenwechsels weg von Krankheitszuschreibungen bei non-CDs hin zur Gesundheitsmobilisierung durch den Versicherten und das Expertensystem:

  • die fundamentalen bio-psycho-sozialen Dimensionen „gesund – krank“, „jung – alt“, „körperlich – psychosozial“, „biologisches und soziales Geschlecht“.
  • die komplementären strategischen Ausrichtungen von tatsächlichen Bedarf und Angebots- bzw. Versorgungsstrukturen, Organisationsformen und Rahmenbedingungen im Gesundheits- und Arbeitsmarkt wie Risiko- und Ressourcenmanagement, Prävention und Gesundheitsförderung, Rehabilitation und Pflege, Disease-, Health- und Leistungsmanagement.
  • die gesellschaftlichen Applikationsfelder Arbeit, Versorgung und Rehabilitation, Familie und Freizeit, insbesondere unter der Blickrichtung von demografischem Wandel und Lebensqualität.

Der Terminus technicus Vitalitätsdiagnostik steht für eine Substitute Technology im Gesundheitssystem (Basisinnovation) und hilft branchenübergreifend, fachlich-medizinische, sozialpolitische und gesundheitsökonomische Lösungsansätze zu vernetzen.

Definitionen Vitalität und generische Gesundheit:

Vitalität = ist die – durch das Zusammenspiel von Disposition und Exposition bedingte – geschlechts- und alterstypische Funktionsfähigkeit und Befindlichkeit eines Menschen in körperlicher, geistig-mentaler und emotional-sozialer Hinsicht. Die entsprechenden Messkriterien zeigen, wie das Ganze aus dem System der Teile hervorgeht (Maturana 1987). Sie beinhaltet lt. ICF der WHO auch aktuell vorhandene Gesundheitsprobleme bzw. schließt Krankheit ein.

Vitalitätslebenskurve

Vitalität bzw. ihre Veränderung ist in Jahresäquivalenten messbar.

Gesundheit und Altern sind zwei natürliche Entwicklungsprinzipien des Lebens. Sie sind über die Regulationssysteme des Organismus untrennbar miteinander verknüpft (siehe Generik in der Medizin).

Notabene: Gesundheit, generische (ICF der WHO) ist die – durch das Zusammenspiel von Disposition und Exposition bedingte – Funktionsfähigkeit und Befindlichkeit eines Menschen in körperlicher, geistig-mentaler und emotional-sozialer Hinsicht. Die entsprechenden Messkriterien zeigen, wie das Ganze aus dem System der Teile hervorgeht (Maturana 1987). Der Gesundheitsstatus berücksichtigt das Geschlecht. Er berücksichtigt ebenfalls vorhandene Gesundheitsprobleme bzw. schließt Krankheit ein. Es gibt keinen Gesundheitsstatus per se, er ist immer in Relation zum Lebensalter zu betrachten.Generische Gesundheit bzw. ihre Veränderung ist deshalb – wie die Vitalität – in Jahresäquivalenten messbar.

Gesundheit und Altern sind zwei natürliche Entwicklungsprinzipien des Lebens. Sie sind über die Regulationssysteme des Organismus untrennbar miteinander verknüpft (siehe Generik in der Medizin).

Vitalität und ärztliche Intervention.

Das Credo: Vitalität und Gesundheit zu fördern ist auch ökonomisch sinnvoll.

Die Alternative: Sie verwalten wiederkehrende Symptomatik, auf deren Ursache Sie meist keinen Einfluss nehmen und reparieren Funktionsstörungen und Alarmsignale des Organismus.

Die Ursachen: Evolutionsbiologisch ist die Lebensweise pervertiert. Fehlbeanspruchung resultiert. Anpassung misslingt. Das Biosystem Mensch ist fehlreguliert. Signale dafür sind chronische Funktions-, Befindens-, Gesundheitsstörungen.

Die Konsequenz: Fehlbeanspruchungen individuell zu erkennen, früher Vitalität zu mobilisieren und interdisziplinär zu arbeiten ist engagiertes Anliegen der Autoren. Hier im Blickpunkt ärztlicher Intervention: die zweite Lebenshälfte.

Das Vitalitätskonzept: Grundlagen – Angebote – Konsequenzen.

Hippokrates Verlag Stuttgart 1997.